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Die Kepler-Gleichung

Gemäß der im zweiten Keplerschen Gesetz enthaltenen Aussage, dass die vom Fahrstrahl zwischen Sonne und Planet überstrichene Fläche proportional mit der Zeit wächst, ist der Ort des Planeten auf seiner Bahnellipse zum Zeitpunkt t berechenbar.

Der von Kepler dafür gefundene Rechenweg besteht aus zwei Schritten:
1. Berechnung des Ellipsen-zentrischen Winkels E (Zwischengröße, Zentrische Anomalie) und
2. Berechnung des Sonnen-zentrischen Winkels V (Planeten-Ort, Wahre Anomalie) aus dem Winkel E.

Der 2. Schritt ist eine einfache trigonometrische Umrechnung, während Kepler im ersten Schritt eine nicht geschlossen lösbare Gleichung (transzendente Gleichung) hergeleitet und angewendet hat. Unter Kepler-Gleichung wird nur diese verstanden.

Die Aussagen in den zugrundeliegenden beiden ersten Keplerschen Gesetzen folgerte Kepler aus einer großen Zahl von Positionsmessungen der Planeten, insbesondere aus solchen vom Mars, die Tycho Brahe und er selbst jahrelang vorgenommen hatten. Wichtige Voraussetzung war, dass Kepler nicht mehr im Geozentrischen Weltbild befangen, sondern vom Heliozentrischen Weltbild des Nikolaus Kopernikus überzeugt war.

Die Kepler-Gleichung und die nachfolgende Umrechnung sind das Ergebnis einer rein geometrischen Arbeit, bei der Kepler die in seinen Beobachtungen zu findenden Regelmäßigkeiten in Form von Gleichungen darstellte. Mit deren Hilfe kann der Ort eines jeden Himmelskörpers, der auf einer Ellipse einen Zentralkörper umläuft, zu einem beliebigen Zeitpunkt vorausberechnet werden, wenn die Form der Ellipse und die Umlaufzeit T des Himmelskörpers auf ihr bekannt sind.

Die physikalische Ursache erkannte später erst Newton. Er formulierte sie in seinem Gravitationsgesetz und zeigte, dass dieses und das zweite Keplersche Gesetz auch für die Bewegungen auf den anderen Himmelsbahnen (Parabeln und Hyperbeln) gelten.

Von der Ellipse braucht lediglich das Verhältnis b/a (oder umgekehrt a/b) zwischen ihrer kleinen und großen Hauptachse bzw. ihre numerische Exzentrizität e bekannt zu sein, da vom Planeten-Ort lediglich die Polarkoordinate Richtungs-Winkel (Wahre Anomalie V), nicht auch der Abstands-Radius gesucht wird (Abb.1, links)

Schritt 1

Der Fahrstrahl von der Sonne S zum Planet hat zwischen seiner Lage im Perihel A (Beginn der Zeitzählung: t=0) und seiner Lage P im Zeitpunkt t die schraffierte Fläche innerhalb der Ellipse zwischen deren großen Hauptachse und dem Fahrstrahl überstrichen (Abb.1, links). Die Größe dieser "Fahrstrahl-Fläche" ist:
FASP = a b π t/T.
Sie ist ein Sektor der Ellipsen-Fläche a b π. Ihr Anteil an dieser ist t/T, wobei T die Zeit für einen vollständigen Lauf des Planeten um die Sonne ist.

Abb. 1 links: ein Planet zum Zeitpunkt t auf einer elliptischen Bahn um die Sonne; die überstrichene Fläche
            ("Fahrstrahl-Fläche") hat den Wert a b π t/T
            rechts: die bis an den Ellipsen-Umkreis verzerrte "vergrößerte Fahrstrahl-Fläche" hat den Wert a2 π t/T.
            Die Exzentrizität der Ellipse ist e = 0,8, und das Achsenverhältnis b/a = 0,6.

Die Bestimmung führt über den von Kepler als Zwischengröße eingeführten Winkel E (Zentrische Anomalie, Abb.2).
Dieser wird einerseits vom Fahrstrahl zwischen Ellipsen-Zentrum Z und dem Umkreis beim zu P affinen Punkt P' und anderenseits von der großen Hauptachse gebildet.
Ein Teil der von diesem eingeschlossene Fläche FAZP' ("E-Fläche", Abb.2, links) ist die Fläche FASP' (Abb.1, rechts). Letztere ist die mit dem Affinitäts-Faktor a/b vergrößerte Fläche FASP ("vergrößete Fahrstrahl-Fläche"). Der andere Teil der "E-Fläche" ist die Fläche FSZP' ("Dreiecks-Fläche").

Abb. 2 links: die "E-Fläche"
            rechts; die beiden Teile der "E-Fläche": die "Dreiecks-Fläche" und die "vergrößete Fahrstrahl-Fläche"

FAZP' - FSZP' = FASP'

Diese Relation zwischen den drei Flächen ist bereits die Kepler-Gleichung. Die bekannte Form entsteht, wenn man die Werte für die drei Flächen einsetzt.

Die "E-Fläche" ist ein Sektor der Umkreis-Fläche:
  FAZP' = ½ a2 E.                               Umkreis-Fläche = a2 π             Anteil-Faktor = E / (2 π)

Die "Dreiecks-Fläche" ist:
  FSZP' = ½  e a   a sin E.                  Grundseite= e a            Höhe = e sin E

Die "vergrößete Fahrstrahl-Fläche" ist:
  FASP' = a/b  a b π t/T = a2 π t/T.
  Sie ist gleich groß wie ein Sektor der Umkreis-Fläche mit Zentriwinkel 2 π t/T, den Kepler als Mittlere Anomalie M
  bezeichnete (Abb.3, rechts).

Die Kepler-Gleichung lautet jetzt:
  ½ a2 E - ½ a2  e sin E = a2 π t/T.
  ½ a2 heraus gekürzt:
  E - e sin E = 2 π t/T.

Bei Verwendung von M (= 2 π t/T) auf der rechten Gleichungsseite ensteht die Kepler-Gleichung in der bekannten Form:

  E - e sin E = M.

Abb. 3: Die beiden Flächen FASP' (links: "vergrößete Fahrstrahl-Fläche") und FAZF (rechts: "M-Fläche") sind gleich groß

Mit dem Winkel M "normalisierte" Kepler die Zeit [1].
In den von Kepler zur Herleitung seiner Gleichung benutzten Zeichnungen wird er nicht benötigt. Kepler hat seine Gleichung mit M lediglich noch ein wenig kürzer geschrieben. M ist nur indirekt die bei ihrer Anwendung vorzugebende Variable. Direkt wird der Zeitpunkt t vorgegeben.

Man kann sich ihn als einen "Winkel im Bogenmass denken, der proportional mit der Zeit t wächst" [1]. Direkter gesagt: Der Ausdruck M =2 π t/T auf der rechten Seite der Gleichung ist genau so wie E auf der linken Seite ein Winkel im Bogenmaß; sein Name sei M. Als Zentriwinkel in einem Kreis mit dem Radius a begrenzt er den Sektor mit der
Fläche a2M/2 (Abb.3, rechts).
Kontrolle: für M seinen Wert 2 π t/T einsetzen   >>   a2 π t/T = "vergrößerte Fahrstrahl-Fläche" (Abb.3, links).

Man kann sich M auch als Richtungswinkel eines die Sonne auf einem Kreis umlaufenden fiktiven Planeten F denken. Dieser wäre wie der sich drehende Zeiger einer Uhr ein Modell für den gleichmäßigen Verlauf der Zeit.

Literatur

[1] T. P. Wihler und H. R. Schneebeli:
     Von den Keplerschen Gesetzen zur Keplergleichung und zum Planetenort,
      2. Geometrie der Planetenbewegung: Keplergleichung


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