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Rechts- und Linksgewinde an Pedalen und im Tretlager

Inhalt

1. Eileitung
2. Umlaufende Last
3. Pendellast an den Kugellagerringen im Tretlager
4. Umlaufende Last an den Pedalachsen

1. Einleitung  ↑ Anfang

Manchmal sollen die Pedale von den Tretkurbeln abgeschraubt werden, um sie auszuwechseln oder sie nur vorübergehend zum platzsparenden Transport im Kofferraum des Autos o.ä. zu entfernen. Die Überraschung ist, dass die Achse des linken Pedals nicht mit üblichem Rechts- sondern mit Linksgewinde in ihre Tretkurbel eingeschraubt ist. Dieses Pedal dreht sich nämlich relativ zur Tretkurbel im Uhrzeigersinn. Und die naheliegende Überlegung, dass sich seine Achse beim Pedalen durch diese Vorsorgemaßnahme nicht lösen soll, ist offensichtlich nicht in die konstruktive Lösung der Pedalachs-Befestigung eingegangen.

Bei ins Tretlagergehäuse eingeschraubten Außenringen - der klassischen Einbauart - der beiden Kugellager ist die Gewindezuordnung umgekehrt. Das Linksgewinde ist rechts, und die Tretlagerwelle dreht sich auf dieser Seite relativ zum fixen Außenring auch im Uhrzeigersinn. Auch hier ist mit der naheliegenden Überlegung, dass das drehende Teil - hier die Welle - daran gehindert werden sollte, über einen Restwiderstand in den Kugellagern die Außenschale mitzudrehen, nicht weiter zu kommen.

2. Umlaufende Last  ↑ Anfang

Ein Maschinenkonstrukteur hat beim Einbau von Kugellagern (allgemein von Wälzlagern) folgende Regeln zu beachten (Abb.1, links):

  • Derjenige Ring, der einer Umlauf- oder einer Pendellast unterworfen ist, muss mit Festsitz eingebaut werden.
  • Derjenige Ring, der einer Punktlast unterworfen ist, darf mit Lossitz eingebaut werden.

Abb.1 mit Kugellager gelagerter Rotor unter Gewichtskraft
links: Umlaufende Last U am Außenring, Punktlast P am Innenring, regelgerechter Einbau
rechts: Spiel zwischen Außenring und Rotor angenommen → Ring rollt unter umlaufender Last im Rotor

Die zweite Regel drückt indirekt aus, dass der restliche Widerstand (Rollwiderstand) nicht als nennenswerte Ursache dafür infrage kommt, dass ein Kugellagerring im Betrieb in Umfangsrichtung wandern kann. Wesentliche Ursache kann aber die radial wirkende Betriebslast sein, wenn sie relativ zum Ring umläuft oder pendelt. Mit anderen Worten: Ein Kugellagerring kann verallasst werden, sich zu drehen, ohne dass ein entsprechendes Drehmoment wirkt.

Durch die umlaufende Last, wird ein mit Spiel in/auf seinem Sitz befindlicher Kugellagerring veranlasst, in/auf diesem zu rollen bzw. sich langsam zu drehen (Abb.1, rechts). Der Kontaktpunkt läuft mit der Last um. Die viel langsamere Drehung erfolgt gegenläufig. Ihre Folge ist Verschleiß, der in der Maschinenkonstruktion "Passungsrost" genannt wird. Um ihn zu vermeiden, wird der entsprechende Ring mit Festsitz versehen, zum Beispiel mit Pressitz eingebaut.

3. Pendellast an den Kugellagerringen im Tretlager  ↑ Anfang

In den Kugellagern des Tretlagers (Abb.2) ist nur die Welle (Tretlagerachse) selbst mit den umlaufenden Tretkräften belastet. Da es keine Kugellagerinnenringe gibt (die Laufrillen der Kugeln sind Teile der Welle), sind auch keine solchen vor schädlichen Folgen von Umlauflasten zu schützen.

Abb.2 Tretlager in klassischer Bauweise

Die Kugellageraußenringe (Lagerschalen) erhalten Betriebslasten, die nur schwach pendeln, denn die Tretkräfte haben nicht über einen ganzen Umlauf immer die gleiche Richtung (z.B. nicht immer genau die vertikale). Ohne Gegenmaßnahme würden sich locker eingescharaubte Außenringe im Gewindesitz schwach hin- und herdrehen. Wegen des Hin und Her stellt sich allerdings kein Festdrehen im Gewinde ein. Die Gewinde müssen bei der Montage fest angezogen werden. Dabei wird in der Regel mit dem linken Lagerring das Spiel in den Kugellagern eingestellt, und er wird mit Hilfe eines zusätzlichen Gewinderinges (Sicherungsring) durch Kontern fixiert. Die Drehrichtung des Gewindes kann beliebig sein.

Es ist zu vermuten, dass die unterschiedliche Drehrichtungswahl ursprünglich von der sinnvollen Unterscheidung bei den Pedalachsen angeregt wurde. Es handelt sich offensichtlich um eine wohlwollende, aber unnötige Maßnahme. Sie wird folgerichtig nicht immer und überall angewendet, z.B. nicht bei Tretlagern aus Italien, die nur Rechtsgewinde haben.

4. Umlaufende Last an den Pedalachsen  ↑ Anfang

Eine Pedalachse ist wie die Tretlagerachse mit der umlaufenden Tretkraft belastet. Da hier auch keine inneren Kugellagerringe vorhanden sind, ist möglicher "Passungsrost" an den Kugellagern ebenfalls ausgeschlossen. Die äußeren Kugellagerringe sind eindeutig punktförmig belastet, zudem sind sie i.d.R. mit dem Pedalkörper unlösbar verbunden.

Abb.3 taumelnde Pedalachse (Schrägstellung stark überhöht dargestellt)

Das Rollen kann im Gewindesitz zwischen der Pedalachse und der Tretkurbel auftreten. Die Pedalachse sei nicht bis zum Anschlag eingeschraubt. Infolge des immer vorhandenen kleinen radialen Spiels im Gewindesitz wird die Achse durch die Tretkraft (Gewichtskraft der Achse ist vernachlässigbar klein) nach unten gekippt (in Abb.3 stark überhöht gezeichnet). Die immer nach unten weisende Kippung läuft relativ zur Tretkurbel um, die Pedalachse taumelt in ihrem Gewindeloch. Sie rollt an den beiden Enden des Innengewindes in der Tretkurbel. Ihr Taumeln bewirkt, dass sie sich um ihre eigene Achse dreht.

Abb.4 Versuch mit taumelnden Bleistift

Der Vorgang ist prinzipiell gleich wie bei einem losen Kugellagerring. Bei der Pedalachse verursacht die außerhalb des Gewindesitzes wirkende Tretkraft außer ihrer Schrägstellung eine Kraftverstärkung. Das im Sitz wirkende Kräftepaar ist erheblich größer, der Rollkontakt ist stärker. Der Vorgang kann in einem einfachen Versuch mit einem Bleistift in der geschlossenen Hand anschaulich immitiert werden (Abb.4).

Der Drehsinn des Taumelns ist am linken Pedal der Uhrzeigersinn (gleich wie die vernachlässigbaren Lagerreibungsdrehmomente). Das Rollen bewirkt, dass sich die Pedalachse im Gegenuhrzeigersinn dreht. Sie wird mit Linksgewinde versehen, damit sie sich eher festzieht, falls sie locker geworden sein sollte. Beim rechten Pedal sind die Verhältnisse umgekehrt, seine Achse hat Rechtsgewinde.

Das Übersetzungsverhältnis zwischen Rollen und Taumeln ist sehr groß. Falls das radiale Spiel im Gewindesitz z.B. 1% groß ist, so verursachen 100 Taumel-Drehungen erst eine Roll-Drehung. Für einen Realversuch ist deshalb zu empfehlen, zu pedalieren, um eine versuchsweise gelockerte Pedalachse in Drehung zu versetzen. Man muss einige hundert Meter fahren, bis die Achse wieder einigermassen fest sitzt (trotzdem: Pedalachse nach dem Versuch mit Werkzeug wieder festziehen !).

LogoSW Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Okt.2011

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