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Astrolabium, Uhr und Uhrzeiger-Sinn

(Chronométrophilia, No 53, 2002)

Zusammenfassung

Anders als bei den älteren Hand-Astrolabien kommen bei den jüngeren Astrolabiums-Uhren stereographische Projektionen in beiden Richtungen der Himmels-Achse vor.
Bei der von den Astrolabien übernommenen, gemäss antiker Tradition gespiegelten nördlichen Projektion laufen die Himmelskörper im Uhrzeiger-Sinn um. Dieser Uhrentyp könnte den Drehsinn der Uhren für alle Zukunft bestimmt haben, zumal er einen Vorläufer in der von Vitruv beschriebenen Uhr hat. Durch die Spiegelung wird ein Blick von aussen auf die Himmelskugel gewonnen. Das ist für den irdischen Beobachter nicht anschaulich.
Die zur gleichen Zeit, d.h. im späten Mittelalter gebauten Uhren mit südlicher Projektion stellen die Bewegungen von Sonne und Mond annähernd so dar, wie sie von der Erde aus gesehen werden. Das Projektionsergebnis ist nicht gespiegelt, weshalb sich die beweglichen Uhrenteile ebenfalls im Uhrzeiger-Sinn drehen. Die bei den Hand-Astrolabien wichtige Aussensicht auf das Himmelsgewölbe ist hier zu Gunsten der Innensicht aufgegeben.
Im Blick auf den anschaulichen Vorteil der südlichen Projektion ist bemerkenswert, dass Bilfinger die Beschreibung Vitruv's am Ende falsch übersetzte, aber so, dass er bei der südlichen Projektion anlangte, ohne sie allerdings auch so zu benennen.

Inhalt

 1.  Einleitung
 2.  Der Drehsinn beim Astrolabium
 3. "Die Aufzuguhr des Vitruv"
 4.  Räderuhren mit Astrolabium
 5.  Nördliche und südliche stereographische Projektion auf Uhren und Sternenkarten
 6.  Uhren mit unterschiedlichen Projektionen im Vergleich
 7.  Der Uhrzeigersinn
 8.  Bilfinger's zwei Planisphärien für die "Aufzuguhr des Vitruv"
 9.  Literatur (inklusive Bild-Nachweise)
10. Anmerkungen

1. Einleitung  ↑ Anfang

Die stereographische Projektion und das Astrolabium werden als bekannt vorausgesetzt ([1], [2]). Für die Kombination des Astrolabiums mit der Uhr sei z.B. auf Bach [3] verwiesen.

Es bleiben aber Fragen, die in der gesamten Literatur nicht explizit erörtert werden. Trotz einmal angewendeter nördlicher, ein anderes Mal angewendeter südlicher Projektion ist der Drehsinn immer gleich, nämlich der rechte. Astrolabiums-Uhren wurden nun aber gerade nicht nur für die abstrakte Zeitanzeige gebaut, wobei der Drehsinn letztlich beliebig sein kann, nur einer Vereinbarung oder der Gewohnheit bedarf. Mit ihrer Hilfe sollten dem Betrachter nämlich auch, möglicherweise sogar in erster Linie, die Bewegungen der Himmelskörper vermittelt werden, und das möglichst anschaulich. Ist das bei unterschiedlicher Projektions-, aber identischer Drehrichtung möglich?

2. Der Drehsinn beim Astrolabium  ↑ Anfang

Abb.1 Astrolabium und Sternenkarte
links: Rete mit nördlichen Sternen [4], Ausschnitt, 5 :Capella, 19: Wega, 20: Atair, 21: Deneb
rechts: Sternenkarte mit nördlichem Himmel [5], Ausschnitt, Vergleichs-Sterne unterstrichen

Beim Astrolabium ist die nördliche Projektion (Blick zum Himmels-Nordpol) angewendet. Auf seiner Rete (Abb.1, links) befinden sich Sterne rund um den im Mittelpunkt zu denkenden Polarstern (Anmerkung 1). Dieses Bild der Sterne überrascht uns insofern, dass es nicht mit dem gewohnten Anblick des Sternenhimmels übereinstimmt. Die beiden Bilder in Abb.1 sind nämlich zueinander spiegelbildlich. Die Rete wird von der Rückseite aus betrachtet. Das entspricht der Sicht von aussen auf die Himmelssphäre, die die älteren Astronomen noch bevorzugten, sie quasi zur Wirklichkeit erklärten (Anmerkung 2).

Wird die Rete gedreht (Anmerkung 3), um die Bewegung des Himmels nachzubilden, so muss das rechts herum geschehen. Derart dreht sich die Himmelssphäre für einen sich ausserhalb befindenden Beobachter (, der aber an die Erde fixiert und mit extrem langen Beinen auf ihr stehend zu denken ist: geozentrisches Weltbild). Dieser für das Astrolabium gültige Drehsinn wird der spätere Uhrzeigersinn, der als Konstante in unser Leben eingezogen ist.

3. "Die Aufzuguhr des Vitruv"   [7]  ↑ Anfang

<< Abb.2 Uhr nach Vitruv,
schematische Rekonstruktion [8], k: Rete l:Zifferblatt (Draht)

Vitruv hat schon einen Gegenstand (Abb.2) beschrieben, der das vorwegnimmt, was später als mechanische Uhr in Gebrauch gekommen ist. Sie wird auch Römische Wasseruhr genannt [2], weil einfliessendes Wasser über einen Schwimmer und eine Kette mit einem Gegengewicht eine Welle permanent antreibt. Diese Welle ist ein wesentliches Merkmal der mechanischen Uhr, dem "Urtyp der Maschine" [6]. Der Kettentrieb ist ebenso ein Maschinen-Element wie die später hinzugekommenen Rädertriebe, derentwegen anstatt von einer mechanischen Uhr häufiger von einer Räderuhr gesprochen wird. Als "Zeit-Macher" [6] könnte Vitruv´s Uhr beliebigen Drehsinn haben. Weil sie aber primär als permanent drehendes Astrolabium konzipiert ist (auf der Welle ist noch kein Zeiger sondern eine Rete befestigt), ergibt sich ihr Drehsinn. Sie dreht rechts, denn es ist wie bei den Hand-Astrolabien die gespiegelte nördliche Projektion angewendet.

Ein aus der Römerzeit stammender, in Salzburg gemachter Fund wird als Bruchstück der Rete einer solchen Uhr gedeutet (Anmerkung 4). Abb.3 zeigt eine Rekonstruktion dieser Scheibe. Auf dem bronzenen Bruchstück befinden sich nur Sternbilder, weshalb bei der Rekonstruktion auch nur Sternbilder und nicht Einzelsterne hinzugefügt wurden. Der exzentrische Lochkreis ist der Tierkreis. In die Löcher wurde ein Pflock als Sonnen-Symbol gesteckt und damit die Anzeige der Tagesstunden ermöglicht. Zur Simulation des Jahreslaufes der Sonne durch den Tierkreis wurde der Pflock periodisch von Hand zurück versetzt.

Vitruv's Beschreibung und der Fund eines dazu passenden Bruchstücks einer solchen Uhr aus dem 1.Jahrhundert nehmen den Uhrzeigersinn als Rechtsdrehung zwar vorweg. Diese Uhr war aber noch nicht öffentliches Allgemeingut, so dass aus ihr noch keine allgemein gültige Festlegung des Drehsinns des Uhrzeigers gefolgert werden kann.

<< Abb.3 Römische Wasseruhr,
Rekonstruktion der Rete mit Fundstück-Kopie [2]

4. Räderuhren mit Astrolabium  ↑ Anfang

In der Abendländischen Kultur wird die Welt als "ungeheure Maschine gesehen" [6], deren Abbild die Uhr ist. Diese philosophische Aussage erhält konkrete Unterstützung durch eine Uhr mit Astrolabium. Vitruv's Uhr ist durchaus schon ein solches Abbild. Doch die seit dem späten Mittelalter gebauten und mit einem Astrolabium versehenen Räderuhren erfüllen diese Aufgabe vollkommener, sogar vollkommener als die in der Neuzeit folgenden faszinierenden astronomischen Kunstuhren. Bei diesen tritt das anschauliche (geozentrische) Weltbild wieder hinter einer Fülle abstrakterer Darstellungen (z.B. Kalendarien) zurück.

Eine Astrolabiums-Uhr soll neben der Zeitanzeige den stetigen Umlauf der Himmelskörper nachbilden, also ist sie eine 24-Stunden-Uhr (Ganze Uhr). Auf dem Stunden-Zeiger ist ein Sonnen-Symbol angebracht. Hinzugefügt sind auch umlaufende Symbole für andere Himmelskörper, von denen die wichtigsten die Fixsterne (Rete) und der Mond sind. Die Umlaufzeiten dieser Körper werden an der der Sonne gemessen, sind aber auch relativ zueinander erkennbar. In einer Astrolabiums-Uhr wirkt der Antrieb direkt auf die Sonnenbewegung. Der bei der Vitruv'schen Uhr für die Rete gebrauchte Antrieb ist hier ein sekundärer. Auch der Mond-Antrieb ist dem Sonnen-Antrieb nachgeschaltet. Das Sonnensymbol ist auf seinem Zeiger verschieblich. Mit Hilfe eines Mechanismus wird es auf dem exzentrischen Tierkreis, der wichtigster Teil der etwas schneller drehenden Rete ist, geführt. Dadurch ist die Position der Sonne im Tierkreis direkt ablesbar, und der veränderliche Abstand vom Zentrum ist ein Mass für ihre Höhe über dem Horizont. Im Unterschied zum Hand-Astrolabium ist die Uhren-Rete, die auch in der Vitruv'schen Uhr keine Einzelsterne enthält, häufig auf die Tierkreiszeichen beschränkt.

Die Abbildungen 4 und 5 zeigen je eine Uhr der beiden Typen. Beide sind älteste noch erhaltenen Räderuhren mit Astrolabium (14.Jahrhundert). Die Uhr in Lyon (Abb.4) enthält die nördliche Projektion und ist überhaupt stark vom Vorbild Hand-Astrolabium geprägt. Die Rete hat überdurchschnittlich viele Sterne, so dass das Planisphärium unter ihr kaum sichtbar ist.

Das gilt besonders für Uhren mit südlicher Projektion (Blick zum Himmels-Südpol), die ungefähr gleich oft wie solche mit traditioneller nördlicher Projektion vorkommen [9]. Wichtigste Feststellung ist, dass jene Uhren trotz entgegengesetzter Projektionsrichtung nicht entgegengesetzt drehen. Das ist möglich, weil das Projektionsergebnis nicht gespiegelt ist. Die traditionelle Aussen-Sicht der Himmelssphäre ist zu Gunsten der Sicht von der Erde aus (Innen-Sicht) aufgegeben (Anmerkung 5).

Abb.4 Uhr in Kathedrale St.Jean, Lyon [3], links
nördliche Projektion, φ≈46°, restauriert und in Funktion
      Abb.5 Uhr in Kirche St.Nikolai, Stralsund, [9], rechts
      südliche Projektion, φ≈54°, Sonnen-und Mondsymbol fehlen, nicht mehr in Funktion (Anmerkung 6).

5. Nördliche und südliche stereographische Projektion auf Uhren und Sternenkarten  ↑ Anfang

Die schematisierten Planisphärien der beiden verschiedenen Uhren aus Lyon und Stralsund sind in Abb.6 einander gegenüber gestellt. Auf ihnen unterscheiden sich die Lage der beiden Sonnen-Wendekreise relativ zum Äquator (A) und die Krümmung des Horizontes (H). Bei der nördlichen Projektion (links) sind Ost und West in Klammern gesetzt, um auf die vorgängige Spiegelung hinzuweisen. In Horizont-Mitte befindet sich Nord ! Es wird mehr als der nördliche Himmel dargestellt (äusserer Kreis links ist Wendekreis des Steinbocks), während bei der südlichen Projektion (rechts) nur Platz für den Himmel zwischen Süd-Horizont und nördlichem Wendekreis (äusserer Kreis rechts) ist.

Das bewegte Abbild des Himmels bei südlicher Projektion ähnelt unserem Eindruck, wenn wir den Lauf der Sonne oder eines anderen Ekliptik-nahen Himmelskörpers über dem Horizont von Ost über Süd nach West verfolgen. Die Horizontkrümmung folgt der Vorstellung, dass wir zum Rand der grossen Scheibe Erde blicken, auf der wir stehen. Auf Weitwinkelfotos ist der Horizont ebenso gekrümmt, d.h. nach aussen abfallend. Die hohe und lange Tages-Bewegung der Sonne auf dem Wendekreis des Krebses im Sommer und die niedrige und kurze auf dem des Steinbocks im Winter stimmen mit unserer Beobachtung überein. Die Ähnlichkeit folgt aus der Tatsache, dass in mittleren nördlichen geographischen Breiten die Blickrichtung zum Südhorizont und der Projektionsstrahl aus dem Nordpol des Himmels zum Südhorizont nicht stark divergieren. Und der Südhorizont befindet sich nahe der Bildmitte, dem einzigen unverzerrten Bildteil.

Abb.6 Planisphärien und Ekliptik, schematisch
H: Horizont, A: Himmels-Äquator, E: Ekliptik
Ein Pfeil deudet die Drehrichtung des Himmels (z.B. der Ekliptik E) an.

Die traditionelle gespiegelte nördliche Projektion zeigt den Himmel von aussen und wird wegen dieses Nachteils bezüglich Anschaulichkeit nicht weiter untersucht. Wir wenden uns der ungespiegelten nördlichen Projektion zu, auch wenn entsprechende (links drehende) Uhren nicht bekannt sind. Für die Darstellung des Sternenhimmels (s. z.B. Abb.1, rechts) wird sie aber verwendet.

Die entsprechende Betrachtung des Himmels von der Erde aus müssten wir mit nach hinten geneigtem Kopf beim Himmels-Nordpol beginnen und sie über den Zenit hinaus zum Südhimmel, dem Ort der Sonne, fortsetzen (Abb.6, links). Das geht leider nicht mit einem Blick, weil der Bildwinkel unserer Augen viel zu klein ist. Abhilfe würde ein mit einem Fischaugenobjektiv gemachtes Foto, das ähnlich wie die besprochene stereographische Projektion ist, schaffen. Es ist auch vom Horizont quasi eingerahmt und verhilft dem südlichen Wendekreis (Steinbock) zu einem grösseren Radius als dem nördlichen. In dieser Projektion ist nur der Bereich des Himmels zwischen Pol und Nord-Horizont (Zirkumpolar-Sterne) befriedigend dargestellt. Darüber hinaus ist die Verzerrung zu gross.

Bei den (drehbaren) Sternenkarten (Anmerkung 7) ist die Problematik besonders gross, weil sie den ganzen sichtbaren Himmel enthalten. Der Horizont ist eine geschlossene Linie, die den Himmel umrandet. Da der Himmel selbst ohnehin nicht mit einem Blick erfasst werden kann, hält man die helfende Sternenkarte so, dass derjenige Teil ihres Horizontes unten ist, über dem der beobachtete Himmels-Ausschnitt liegt. Über dem Süd-Horizont ist die Verzerrung des Himmels am grössten. Deshalb gibt es Karten mit einer weiteren Darstellung auf der Rückseite [11]. In der Hauptkarte (Abb.7, unten) ist auf die weit südlichen Sterne verzichtet. Sie befinden sich auf der anderen Seite (Abb.7, oben ), wo sie näher bei der unverzerrten Bildmitte (Himmels-Südpol) sind, denn hier ist die südliche Projektion angewendet.

Abb.7 Zweiseitige, drehbare Sternenkarte für Äquator-nahe nördliche Breiten (Eigenbau, [11])

6. Uhren mit unterschiedlichen Projektionen im Vergleich  ↑ Anfang

Aus den bisher angestellten Betrachtungen folgt also, dass Uhren mit südlicher Projektion (Abb.5) wegen der anschaulichen Nachbildung der Sonnen- und Mondbewegung von vorn herein leicht zu verstehen waren. Vielleicht konnten sie sich deshalb neben denen mit nördlicher Projektion etablieren, ohne diese allerdings zu verdrängen. Eine Uhr mit gespiegelter nördlicher Projektion (Abb.4) ist ein permanent angetriebenes Astrolabium. Zu ihrem Verständnis ist die Kenntnis des alten Hand-Astrolabiums, seines Zweckes, seiner Konventionen und seiner Handhabung nötig. Der interessierte Laie wird von ihr eher verwirrt, als anschaulich unterrichtet.

7. Der Uhrzeigersinn  ↑ Anfang

Die öffentlich zugänglichen Grossuhren gab es ab dem späten Mittelalter nun so zahlreich, dass eine Normierung der Drehrichtung Sinn machte. Aber von welchem Typ sie ausgegangen ist, lässt sich nicht entscheiden. Die folgenden Überlegungen führen zum gleichen Ergebnis:

  • Vitruv und das Astrolabium könnten den Uhrzeigersinn vorgegeben haben. Auf den späteren Uhren mit südlicher Projektion erwies sich die Vorgabe als richtig, weil aus Gründen der Anschaulichkeit nicht mehr gespiegelt werden sollte.
  • Die Erbauer der Astrolabiums-Uhr mit südlicher Projektion wählten unabhängig von der Tradition den für sie sinnvollen Drehsinn. Ihre Rolle als Normierer des Uhrzeigersinns blieb aber verborgen, da sie ja keinen anderen Drehsinn als den im traditionellen Astrolabium bzw. in den jetzt gebauten Uhren mit gespiegelter nördlicher Projektion verlangten. Angenommen werden darf aber, dass sich der Uhrzeigersinn spätestens jetzt etablierte und in der Halben Uhr, die als karger Rest der Astrolabiums-Uhr zum Standard wurde, nicht neu festgelegt wurde.

8. Bilfinger's zwei Planisphärien für die "Aufzuguhr des Vitruv"  ↑ Anfang

Die Vitruv'sche Uhr wurde erst in der Übersetzung des lateinischen Textes durch Bilfinger [7] verstanden. Die Leser übergehen aber oft die Tatsache, dass Bilfinger sich selbst nicht sicher war. Nachdem er zunächst ein traditionelles Planisphärium entworfen hatte, kamen ihm Zweifel. Das entsprach nämlich nicht seiner Grund-Deutung des Textes, dass Vitruv eine Uhr beschreibe, auf deren Tierkreis die grössten Sektoren auch den grössten Längen des lichten Tages entsprächen. Deshalb änderte er seinen ersten Entwurf (Abb.8, links), indem er die Tages- mit der Nachthälfte und den Wendekreis des Krebses mit dem des Steinbocks vertauschte (Abb.8, rechts). Der jetzt erhaltene Tierkreis und die Lage der Wendekreise sind aber auch Resultat der südlichen Projektion. Bilfinger hätte nur noch ins Zentrum SP (für Südpol) schreiben müssen. In Abb.8 ist dieser zweite Entwurf so gedreht, dass die Tageshälfte wie üblich oben ist.

Als Ursache für die Umdeutung könnte man Bilfinger auch allgemeines Unbehagen mit der gespiegelten nördlichen Projektion auf einer Astrolabiums-Uhr unterstellen. Der spätere Fund des Salzburger Bruchstücks (s.3.) [12] spricht allerdings für seine erste Deutung des Vitruv'schen Textes.

Abb.8 "Die Aufzuguhr des Vitruv", Planisphärium und Tierkreis nach Bilfinger [7]
erster (links) u. zweiter Entwurf (rechts, gedreht), Originale nachgezeichnet, φ=42°

9. Literatur (inklusive Bild-Nachweise)  ↑ Anfang

  [1] H.Bach: "Das Astrolabium an astronomischen Kunstuhren", Schriften der "Freunde alter Uhren", 1977
  [2] J.Hügin: "Das Astrolabium und die Uhr", 1978
  [3] H.Michel: "Traité de l'Astrolabe", 1947
  [4] B.Stautz: "Untersuchungen ... auf mittelalterlichen Astrolabien ...", 1997
  [5] "Der grosse Reader's Digest Weltatlas", 1963
  [6] E.M.Fürböck: "Gedanken über das Wesen der Räderuhr", Schriften der "Freunde alter Uhren", 1977
  [7] G.Bilfinger: "Die Zeitmesser der antiken Völker", 1886
  [8] J.Drecker: "Zeitmessung und Sterndeutung ...", 1925
  [9] A.Ungerer: "Les horloges astronomiques ...", 1931
[10] M.Marti: "zytglogge: Das Uhrenwerk", 1983
[11] "Der Südliche Sternenhimmel", Zweiseitige drehbare Karte, Verlag Kosmos
[12] A.Rehm: "Zur Salzburger Bronzescheibe mit Sternbildern",
      Jahreshefte der Österr. Archäologischen Gesellschaft, 1903

10. Anmerkungen  ↑ Anfang

Anmerkung 1:    ↑ zurück
Astronomen aus nördlichen Kulturen begannen sich erst spät mit dem südlichen Himmel zu beschäftigen. In diesem Moment war dazu kein Astrolabium mehr nötig. Ein solches hätte die südliche Projektion, also eine Rete mit dem Himmelssüdpol als Mittelpunkt enthalten müssen. Über den Gebrauch des Astrolabiums oder eines ähnlichen Instrumentes in alten südlichen Kulturen ist nichts bekannt.

Anmerkung 2:    ↑ zurück
Somit ist in einem Gegenstand die Gewohnheit der philosophisch geprägten älteren griechischen Wissenschaft erhalten geblieben, gedanklich hergestellte Ansichten der Welt den Ergebnissen aus Experimenten -und sei es nur einer Ansicht, die wir mit den Augen gewinnen- vorzuziehen.

Anmerkung 3:    ↑ zurück
Beim gewöhnlichen Gebrauch werden Rete und Regula je in eine gewünschte Position verdreht, vorwärts oder rückwärts. Es wird eingestellt. Von einem eigentlichen Drehsinn kann man noch nicht sprechen.

Anmerkung 4:    ↑ zurück
Der kreisförmige Rand des Bruchstückes ist wie eine Briefmarke gezahnt. Die Scheibe trug als Ekliptik einen engen Lochkreis mit 182 Löchern, auf dem ein Pflock als Sonnen-Symbol alle 2 Tage um 1 Platz nach links versetzt wurde. Diese Perforation begünstigte das Ausbrechen des inneren Teils, von dem das Bruchstück wiederum nur ein Teil ist.

Anmerkung 5:    ↑ zurück
Ausnahme ist die Astrolabiums-Uhr in Münster/Westf., die folglich links dreht.

Anmerkung 6:    ↑ zurück
Abb.5 ist gewählt, weil das Planisphärium wegen der fehlenden Teile besonders gut sichtbar ist. Vorbildlich restaurierte Beispiele mit südlicher Projektion sind "der Zytglogge" in Bern [10] und die Uhr im Dom von Lund/S mit besonders gut erkennbarem Planisphärum (Abb.9).

Anmerkung 7:    ↑ zurück
Bei Sternkarten wird meistens die mittenabstandstreue Abbildung angewendet.

<< Abb.9 Astronomische Uhr im Dom von Lund/S, 56°N
5 weitere Deklinatinskreise zwischen den Wendekreisen
Himmel unter Horizont: rot (Dämmerung) und schwarz
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Lund_astron_uhr_032.JPG

LogoSW Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Februar 2008 (letzte Änd.: Nov.10)

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